Ein trockener Sommer, ein sehr später Herbst und ein Temperatur Auf-und-Ab im Winter – nun die Regel? „

„Ab Oktober bleibt der Deckel bei den Bienen geschlossen.“ So steht es so ziemlich in jedem einschlägigen Imkereilehrbuch, das für unsere Breitengrade geschrieben wurde. Zu diesem Zeitpunkt sollte die Einfütterung beendet sein und die Legeleistung der Königin sollte allmählich zurückgehen – kurzum, die Bienen bereiten sich auf den Winter vor. Auf diese „Eckpfeiler“ der Saison bauen viele Imker noch ihre Betriebsweise auf, deren Regel wenn überhaupt durch Ausnahmen bestätigt werden soll. Doch jene Stimmen in der Imkerschaft mehren sich, die nun nach fünf turbulenten Jahren in Folge davon sprechen, dass die Ausnahme zur Regel wird. Doch was genau ändert sich für die Biene?

Der neunte „zu trockene“ Frühling in Folge, der 6.-trockendste Sommer seit 1881

Ein warmer April und ab Mai bis August nahezu durchgängig „Hochsommer“ – und nicht nur sehr warm, sondern auch wieder äußerst trocken. So kann die Bienensaison 2022 in einem Satz zusammengefasst werden. Und auch wenn mit etwas imkerlichem Geschick eine sehr ordentliche Honigernte eingefahren werden konnte, so war durch diese Dauerschönwetterperiode schon Anfang Juli so gut wie alles verblüht und für auf Nektar angewiesene Insekten stand nur noch wenig zur Verfügung. Und wenn der Oktober mit 3,5° über dem langjährigen Mittel und ab Monatsende mit Tageshöchsttemperaturen weiter über 20° eher ein zweiter September ist, dann auch im November die Sonne scheint und am ersten Weihnachtsfeiertag die Bienen Summen und Brummen, als wäre der Frühling schon da, dann darf getrost festgehalten werden: Hier ist etwas in Bewegung. Für unsere Honigbienen bedeutet das, dass der Futterverbrauch im Herbst durch die gesteigerte Brutaktivität nicht mehr signifikant abnimmt und die Winterbienen – die physiologisch eigentlich auf „Nichts-Tun und auf den Frühling warten“ ausgerichtet sind – noch im Herbst viel Energie mit Sammeln und Brutpflege aufbringen müssen. Für den Imker bedeutet diese „neue“ Situation, dass die Saison nicht nur auf der einen Seite durch einen frühen Frühling tendenziell nun früher beginnt, sondern durch einen nicht einsetzen wollenden Herbst auch noch wesentlich länger andauert. Wo früher Faustregeln wie „12 kg Futter ab dem 01. Oktober reichen“ noch durchaus ihre Gültigkeit hatten, wägt sich mancher Imker mit 15 kg schon nicht mehr auf der sicheren Seite. Je nach Beutensystem stößt man hier jedoch auch schon an die Kapazitätsgrenze, wenn Waben, Wachs, Bienen und das ganze Futter in die Kiste passen müssen. Die Betriebsweisen werden volatiler, es muss immer individueller auf das Mikroklima und das jeweilige Jahr eingegangen werden, was die Bienenpflege nicht nur fachlich anspruchsvoller, sondern auch zeitlich intensiver werden lässt. Langfristig wird die Imkerschaft demnach gezwungen sein alte Arbeitsweisen zu überdenken, um die Biene erfolgreich beim Umgang mit den sich verändernden Klimabedingungen zu begleiten. Packen wir’s an!

Petition zur Bürgerinitiative „Bienen und Bauern retten“ erfolgreich!

1.054.973 Bürgerinnen und Bürger waren es schlussendlich, die sich erfolgreich für ein pestizidfreies Europa ausgesprochen haben. Nachdem es wie bereits berichtet dem Bündnis „Bienen und Bauern retten!“ aus über 200 Organisationen gelungen war die Zielmarke von einer Million Unterschriften zusammenzutragen, wurde die Bürgerinitiative Ende letzten Jahres nun auch offiziell als erst siebte Ihrer Art für gültig erklärt, was sich auch prompt in einem konkreten Vorschlag durch die zuständige EU-Kommissarin Stella Kyriakides niederschlug: „Wir haben strenge Regeln für die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln vorgeschlagen. Diese Regeln werden die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, verbindliche nationale Ziele festzulegen, um die Gesamtziele der EU zu erreichen. Diese Initiative wird unsere Maßnahmen zum Schutz von Bestäubern verstärken, indem sie den Einsatz von Pestiziden verringern und uns von chemischen Pestiziden wegebewegen wird, um die Ökosysteme gesünder zu machen.“ Der Reformvorschlag zur „nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln“ trifft indes erwartungsgemäß auf starken Widerstand von Industrieverbänden, welche eine detaillierte Folgenabschätzung fordern. Mit der offiziellen Anhörung vor dem EU-Parlament am 24.01.23 wurde der Debattenraum jedoch endlich signifikant erweitert – in einer Debatte, die nun nicht mehr ausschließlich von der chemischen Industrie und ihren Verbündeten dominiert sein dürfte.

Neuseeland ertrinkt in Honig

Auch an anderer Stelle treibt die Globalisierung ihre Blüten. So war in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme des Interesses um den so genannten „Manuka-Honig“ aus Neuseeland zu verzeichnen. Unsere Empfehlung damals wie heute: Frischer, heimischer Honig mit der entsprechenden Pollenvielfalt der Umgebung und ohne Importfußabdruck schmeckt im heißen Tee bei Erkältung genauso gut. Nun kam es wie es kommen musste: Durch den „Hype“ stiegen die Preise für Manuka-Honig in kürzester Zeit um über 300% auf bis zu 100 NZ$/kg, was in Neuseeland nicht bloß zu einem Imkerei-Boom, sondern nach Angaben des Neuseeländischen Agrarministeriums auch zu einer drastischen Kriminalitätswelle führte. Hunderte von Bienenvölkern und Honigläger seien gestohlen/überfallen worden, bis hin zu Berichten über Vandalismus mit Massenvergiftungen von Bienenstöcken, um die Konkurrenz auszuschalten. Durch die beispiellose Rekordernte 2020 wurde der Hype noch weiter angefacht und viele Neuimker angelockt, doch nun scheint die weltweite Nachfrage nach dem angeblich besonders gesundheitsförderlichen Honig nachhaltig eingebrochen zu sein. Durch das übermäßige Angebot wird der spezielle Myrthen-Honig nur noch zu Preisen zwischen 20 und 25 NZ$ gehandelt. Einem Preis, der noch weit unter dem Preisniveau von 2010 liegt und der für viele Imker nicht mehr kostendeckend ist.

Michael Wirth