Re-Upload: Rückblick auf eine turbulente Bienensaison 2021
„Advent, Advent, der Geduldsfaden brennt.“ – so, oder so ähnlich müsste man dieses Jahr das berühmte Sprichwörtchen abwandeln. Erneut Einschränkungen, erneut erhöhter zusätzlicher Aufwand im Betrieb und die enttäuschte Hoffnung, dass dieses Weihnachtsfest wieder ein „normales“ sein würde. Während bei uns nun jedoch die Adventszeit voranschreitet, findet wie jedes Jahr die Dynamik in unseren Bienenvölkern den Jahrestiefpunkt: Seit den ersten Frostnächten stellte die Königin die sonst unablässige Eiablage komplett ein, um erst Mitte bis Ende Januar wieder damit zu beginnen. Das Bienenvolk rückt in dieser Zeit der kurzen Tage und langen Nächte umso dichter zusammen, um sich zu wärmen und um Honig und somit Energie für das kommende, anstrengende Frühjahr zu sparen. Für uns daher ein wunderbarer Zeitpunkt, um auf die vergangene Bienensaison zurückzublicken:
„Durchlenzung“ mit Hindernissen und ein durchwachsener Sommer
Was war das dieses Jahr für ein „Nicht-Frühling“ – erst zu warm, dann zu nass, dann zu kalt und dann irgendwie schon vorbei. Gefolgt von gefühlten vier Tagen Sommer, die dann gemächlich in einen langen und lauen Frühherbst übergingen. Das Dramatische hierbei: Während für unsereins der Unterschied von 13°C zu 18°C allenfalls T-Shirt oder doch Pullover heißt, bedeutet es für die Insektenwelt Honig oder kein Honig. Denn grob gesagt „honigt“ die Vegetation unter 15°C wenig bis kaum, d.h. es ist schlicht zu kalt für die chemischen Prozesse der Nektarabsonderung. Die Insektenwelt summt und brummt dann zwar, findet aber kaum genug Nahrung, um sich zu versorgen – geschweige denn Vorräte für den Winter anzulegen. Dementsprechend war dieses Jahr das Saarland mit Abstand auch Schlusslicht in puncto Honigertrag bzw. -ernte und nur durch geschickte Völkerführung war überhaupt eine kleine Ernte möglich. Besonders typisch in solch wechselhaften Jahren: Das jeweilige Mikroklima vor Ort (sprich z.B. Nord- oder Südhanglage, Tal- oder Bergland, zugig oder windstill etc.) kann hier den entscheidenden Unterschied machen, sodass viele Imker dieses Jahr sogar komplett auf eine Honigernte verzichten mussten. Immerhin konnten sich die meisten Bienenvölker wie in den meisten Jahren in der Zeit nach der letzten Honigernte im Juli noch hinreichend selbst mit eigenem Honig als Bevorratung für den Winter versorgen, sodass mit wenig Winterverlusten gerechnet werden darf. Denn alles „Schlechte“ hat am Ende sein Gutes: Durch die mangelnde Energiezufuhr brüteten die meisten Völker etwas verhaltener, was sich schließlich auch in einer Verminderung der Varroamilbenbelastung niederschlug – so sind die Gesetze der Natur, alles ist in Balance.
Volksbegehren „Bienen und Bauern retten“ mit: 1,2 Millionen Unterschriften erfolgreich!
Obwohl im August diesen Jahres mit erst 600.000 Unterschriften das Ziel von 1 Mio. zum 30. September das Erreichen des Quorums gefährdet schien, haben sich dann in einem Endspurt zum Ende rund 1.200.000 Europäer für ein landwirtschaftsverträgliches Komplettverbot von chemisch-synthetischen Pestiziden bis 2035 ausgesprochen. Allein in Deutschland wurden 587.399 final beglaubigte Unterschriften gesammelt. Zur Erinnerung: Mit einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI) können EU-Bürgerinnen und -Bürger die Europäische Kommission dazu auffordern, die EU-Gesetzgebung in einem Themenfeld zu überarbeiten. Um eine EBI auf den Weg zu bringen, ist die Beteiligung von mindestens einer Million EU-Bürgerinnen und EU-Bürger mit einem Mindestquorum in mindestens sieben EU-Mitgliedstaaten erforderlich. Diese Voraussetzungen wurden im jüngsten Fall deutlich übertroffen – vor allem weil das Begehren durch mehr als 250 Organisationen, NGOs und Initiativen betragen wurde. Sobald die nationalen Behörden die Unterschriften als gültig anerkannt haben, gilt die EBI als erfolgreich. Dann müssen die Europäische Kommission und das Europaparlament die Forderungen der Initiative auf die Tagesordnung setzen:
Schrittweiser Ausstieg aus synthetischen Pestiziden: Der Einsatz von synthetischen Pestiziden wird bis 2030 um 80 Prozent reduziert. Bis 2035 steigt die EU komplett aus der Nutzung der Ackergifte aus.
Maßnahmen zur Erholung der Biodiversität: Biotopflächen in landwirtschaftlichen Flächen werden wiederbelebt und Produktionsmethoden so gestaltet, dass die Landwirtschaft wieder einen Beitrag zur Förderung der Artenvielfalt leistet.
Unterstützung der Bäuerinnen und Bauern: Die Europäische Agrarpolitik wird reformiert. Anstatt industriebegünstigende Subvention von Agrarkonzernen werden kleinteilige, vielfältige und nachhaltige landwirtschaftliche Strukturen bevorzugt, der Ökolandbau ausgeweitet sowie die Forschung zu pestizid- und gentechnikfreiem Anbau gefördert.
Natürlich laufen Lobbyverbände schon heiß gegen diese radikalen Ansätze, jedoch sind auch in 2021 wieder mehrere Studien erschienen, die nicht nur den unmittelbaren Effekt auf (Wild-)Bienen untersuchen, sondern nun auch die verminderte Brutleistung bei Pestizidkontamination beleuchten. Es ist dabei nicht verwunderlich, dass bei Kontakt mit Neonikotinoiden die Brutleistung extrem zurück geht (siehe z.B. Population decline in a ground-nesting solitary squash bee following exposure to a neonicotinoid insecticide treated crop). Neu und gleichermaßen erschreckend ist jedoch, dass dieser Effekt über Generationen hinweg zu bestehen bleiben scheint! (Siehe Past insecticide exposure reduces bee reproduction and population growth rate) Die Studie deutet stark darauf hin, dass “Bienenpopulationen mehrere Generationen brauchen, um sich von einer einzigen Berührung mit Imidacloprid zu erholen.“ Diese Stoffe waren eigentlich in Europa schon verboten, wurden über Notfallzulassungen aber wiederzugelassen. Zynisch, denn diese ‚Nioniks‘ haben eine Halbwertszeit von 18 Jahren…