Der Frühling, der dieses Jahr kein Frühling ist…

„Durchlenzung“ mit Hindernissen

Knapp zwei Monate ist es her, dass an dieser Stelle davon die Rede war, dass die Natur in den Startlöchern steht und alles auf den Frühling wartet. Denn gerade nach dem (seit Jahren nochmal „normal“) kalten Winter, in dem die Honigbienen viel Energie in Form von Honigvorräten für die Aufzucht der Jungbienen aufbringen musste, wäre ein warmer, sonniger Frühlingsstart ein Segen für die Insekten gewesen. Doch ganz im Gegenteil musste die Natur mit einem extrem kalten und dabei trotzdem zu trockenen April kämpfen: Obwohl der Monat mit einer vorsommerlichen Sonnenwoche begann und damit den Bienen „Volle Kraft vorraus!“ signalisierte, lag der launische Monat am Ende mit 6,1° C im Schnitt mehr als drei Grad unter dem langjährigen Mittel! Auch die Rekordanzahl von Frostnächten war für die Bienenentwicklung keineswegs förderlich, wenn man bedenkt, dass ein Bienenvolk im Herzen des Brutnestes konstant 35° C zur Brutaufzucht hält. Gerade deshalb ist diese „Durchlenzung“ genannte Zeit die absolut kritischste im Jahresverlauf eines Bienenvolkes: Das Futter geht langsam zur Neige, das stark gewachsene Volk hat „Hunger“ und will sich fleißig am reich gedeckten Tisch der Frühjahrstracht von Streuobstwiesen und Weiden laben. Wenn dann jedoch die Tageshöchstwerte nicht mehr über 15° klettern, setzt die Nektarsekretion nicht ein und die Honigtöpfe bleiben leer.

Vielerorts verstrich daher diesen April die komplette Krisch- und Pflaumenblüte nahezu ungenutzt und auch die Apfelblüte läuft Gefahr bei aktuellen trüben Wetteraussichten bis Mitte Mai das gleiche Schicksal zu ereilen. Für den Imker ist dieses Jahr daher besonders herausfordernd, da die Bienenvölker nicht wie sonst einen starken Honigüberschuss verzeichnen und die erste Honig-Ernte schon vor der Tür steht, sondern ganz im Gegenteil Gefahr laufen zu verhungern, wenn die kargen Einträge nicht mehr ausreichen die starken Völker mit Energie zu versorgen – statt wie gewohnt Honigrähmchen zu entnehmen werden im Extremfall momentan sogar weitere Futterrähmchen zugehängt! Nichtsdestotrotz haben die Bienenvölker mitlerweile so genannte „Trachtstärke“, d.h. es sind genügen Sammelbienen im Stock, dass bei gutem Wetter Honigvorräte angelegt werden könnten. Auch der lang ersehnte Regen fiel endlich, sodass nun bloß noch das Thermometer mitspielen muss: Für eine daher trotzdem noch gute Frühjahresernten stehen auf dem Lande die Rapsfelder bereit und in Städten lässen vor allem die im Blühbeginn stehenden Rosskastianien hoffen.

„A swarm in May – a load of hay; a swarm in June – a silver spoon; a swarm in July? – ain’t worth a fly…“

Durch diesen äußerst ungewöhlichen Jahresverlauf, der den Entwicklungszyklus des Biens durcheinander wirbelt, dürfte auch dieses schöne Bauernsprichwort über Bienenschwärme dieses Jahr nicht zum Tragen kommen. Es besagt kurzum: Je früher die Bienen schwärmen wollen, desto voller sind die Honigtöpfe insgesamt am Ende des Jahres. Doch durch den ausgefallen Trachtmonat April ist auch das Schwarmgeschehen der Honigbienen noch schwieriger als ohnehin schon vorherzusehen. Für gewöhnlich ist der Wonnemonat Mai für unsere Bienen ein Monat der Hülle und Fülle, bei dem auch in Gegenden mit allgemein kargem Nahrungsangebot in dieser Zeit Pollen und Nektar in großem Maße zur Verfügung stehen. In dieser Hochzeit erreicht ein Bienenvolk auch schließlich seinen Entwicklungshöhepunkt, bis zu 60.000 Bienen tummeln sich dann in einem einzigen Bienenstock. Zwar wurden auch dieses Jahr die Bienenvölker mit dem Schlupf der Drohnen – der männlichen Bienen – Mitte April „geschlechtsreif“, die fehlenden Vorräte dürften die Schwarmlust der Bienen jedoch dämpfen. In einem guten Trachtjahr übersteigt dann nämlich durch das starke Wachstum die Zahl der brutpflegenden Bienen die Zahl der zu pflegenden Brutzellen, wodurch von Arbeiterinnen spezielle Wabenzellen – so genannte Weiselnäpfchen o. Weiselzellen – angelegt werden, in die schließlich die Bienenkönigin (fachl. Weisel genannt) ein befruchtetes Ei legt. Dieses Ei unterscheidet sich genetisch absolut nicht von einem ordinären Arbeiterinnen-Ei, durch die Zugabe von mit speziellen Inhaltsstoffen angereichertem Futtersaft, dem Gelée royale, reifen statt Arbeiterinnen in diesen speziellen Zellen jedoch junge, neue Königinnen heran. Wenn dann (oft nach nach mehreren kalten Regentagen) an einem sonnigen, warmen Tag die bisherige Stockmutter mit dem „überschüssigen“ Bienen auszieht, um in einer neuen Behausung ein neues Bienenvolk zu gründen, ist somit die neue junge Regentin schon an Ort und Stelle, um das Bienenvolk weiter durch den Sommer zu führen. Ob dieses Jahr die Schwarmzeit nur verzögert ist oder generell schwächer ausfällt bleibt dabei noch abzuwarten, bis das Wetter sich bessert. Honigbienen lesen in diesem Zusammenhang nämlich nur selten die einschlägige Fachliteratur. 😉

Trotzdem ist – wenn daher auch nur selten live zu erleben - ein Schwarmauszug alles in allem ein wunderbares Naturschauspiel, wenn sich tausende Bienen simultan in die Luft erheben, um einige Kilometer weiter eine neue Behausung zu suchen. Finden die Bienen keinen passenden Platz kehren Sie manches Mal sogar zum ursprünglichen Volk zurück oder werden in der heutigen Zeit dann oft von Imkern eingefangen und an Anfänger weitergereicht, da dies eine der schönsten und natürlichsten Arten ist, mit der Imkerei zu beginnen. Eines ist dabei jedoch immer sicher: Ein Bienenschwarm hat nichts zu verteidigen und ist daher absolut friedlich – d.h. wer das Glück hat bei einem „Bienengeburtstag“ dabei zu sein, kann sich getrost und ohne Scheu von dein Sinneseindrücken überwältigen lassen und den Moment genießen.

Michael Wirth